Berlin (EAST SEA) Donnerstag, November 3rd, 2022 / 13:58

Diese deutschen Wirtschaftsbosse wollen mit Kanzler Scholz nach Peking reisen – und so wichtig ist ihr China-Geschäft

  • Am Freitag trifft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Chinas Partei- und Staatsführer Xi Jinping in Peking.
  • Mit ihm reist eine große Wirtschaftsdelegation – darunter die Chefs von Volkswagen, Siemens und Merck.
  • Trotz der Warnungen von Experten, Abhängigkeiten zu autoritären Regimen abzubauen, ist das China-Geschäft für deutsche Unternehmen so attraktiv wie nie. Eine Übersicht.

Es wird eine sehr kurze, aber hoffentlich effiziente Reise: Am Freitagmorgen (Ortszeit) will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als erster, westlicher Regierungschef Chinas Partei- und Staatsführer Xi Jinping nach Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 besuchen. Aufgrund der strengen Auflagen durch die Null-Covid-Politik ist in Chinas Hauptstadt jedoch keine Übernachtung geplant. Die Delegation darf sich nur streng abgeschirmt in einem „geschlossenen Kreislauf“ bewegen. Im Mittelpunkt der Visite stehen unter anderem die deutsch-chinesischen Beziehungen, der Ukraine-Konflikt, die Taiwanfrage und die Wirtschaftskooperation beider Länder.

Wie üblich wird der Kanzler begleitet von einem großen Tross aus Wirtschaftsbossen – diesmal soll die Delegation aus zwölf Personen bestehen, wie das „Handelsblatt“berichtet. Mehr als 100 Unternehmen hatten sich demnach um die heiß begehrten Plätze im Regierungsflieger beworben.

Es wird eine sehr kurze, aber hoffentlich effiziente Reise: Am Freitagmorgen (Ortszeit) will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als erster, westlicher Regierungschef Chinas Partei- und Staatsführer Xi Jinping nach Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 besuchen. Aufgrund der strengen Auflagen durch die Null-Covid-Politik ist in Chinas Hauptstadt jedoch keine Übernachtung geplant. Die Delegation darf sich nur streng abgeschirmt in einem „geschlossenen Kreislauf“ bewegen. Im Mittelpunkt der Visite stehen unter anderem die deutsch-chinesischen Beziehungen, der Ukraine-Konflikt, die Taiwanfrage und die Wirtschaftskooperation beider Länder.

Wie üblich wird der Kanzler begleitet von einem großen Tross aus Wirtschaftsbossen – diesmal soll die Delegation aus zwölf Personen bestehen, wie das „Handelsblatt“berichtet. Mehr als 100 Unternehmen hatten sich demnach um die heiß begehrten Plätze im Regierungsflieger beworben.

VW-Chef Oliver Blume

Mit dabei ist Oliver Blume, CEO der Volkswagen AG – kein Wunder, ist sein Konzern doch so eng mit dem China-Geschäft verwoben wie kaum ein zweites in Deutschland. Vierzig Prozent seines Umsatzes macht VW in der Volksrepublik. Die Gewinne sinken jedoch: Verdiente VW mit seinen chinesischen Joint Ventures 2015 noch 5,2 Milliarden Euro, waren es 2021 „nur“ noch drei Milliarden Euro. Ein Grund dafür ist der Boom nationaler Automarken in China. Konnten die Wolfsburger früher mit 20 Prozent Marktanteil in der Volksrepublik rechnen, so kamen VW und Audi in den ersten drei Monaten dieses Jahres gerade einmal auf einen Marktanteil von zusammen 13 Prozent, wie das „Handelsblatt“ mit Verweis auf Erhebungen des Marktforschungsunternehmens LMC berichtete. Demnach verkaufte Audi im ersten Quartal dieses Jahres 28 Prozent weniger Fahrzeuge in China und VW schaffte es knapp auf das Vorjahresniveau – obwohl Chinas Automarkt in dieser Zeit um sieben Prozent gewachsen ist.

Siemens-CEO Roland Busch

2021 übernahm Roland Busch das Siemens-Geschäft von Joe Kaeser – es ist somit Buschs erste Kanzler-Reise als CEO des Konzerns nach China. Er ist zudem Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft (APA). Siemens ist seit 1872 in China tätig; jetzt hat Busch besonders viel mit der Volksrepublik vor: Er will mit dem Projekt „Marco Polo“ groß in China investieren und Teil-Bereiche dorthin auslagern, darunter auch „Digitale Industrien“, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Gerade dieser Bereich ist jedoch besonders datensensibel. Dabei plädieren Experten und zum Teil auch die Bundesregierung, wie das Auswärtige Amt, wirtschaftliche Abhängigkeiten von China in den nächsten Jahren abzubauen – und nicht noch weiter zu vertiefen.

Merck-Chefin Belén Garijo

Für Merck sitzt die Vorständin Belén Garijo mit in der Kanzler-Maschine. Die spanische Top-Managerin ist Medizinerin und führt das Darmstädter Wissenschafts- und Technologie-Unternehmen seit 2021. In der Volksrepublik will Merck weiter wachsen: Innerhalb von sechs Jahren plant der Konzern 100 Millionen Euro in den Bau eines neuen Herstellungszentrums zu investieren. Die Inbetriebnahme soll 2024 erfolgen, 1000 neue Arbeitsplätze werden so geschaffen. Die Vereinbarung wurde im April unterzeichnet – und zwar mit dem Verwaltungsausschuss der „Wuxi National High-Tech Industrial Development Zone“. Dies ist nicht ungewöhnlich, zeigt aber: Ohne den Willen der chinesischen Führung und der Kommunistischen Partei finden keine Geschäfte in der Volksrepublik statt.

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing

Was Christian Sewing in Peking besprechen möchte, lässt sich nur vermuten. Im Januar berichtete die „FAZ“ über anfängliche Pläne, dass die Deutsche Bank mit ihrem Joint Venture DWS in Chinas gigantischem Privatkundenbereich wachsen will. Als Partner, so hieß es damals, käme Chinas fünftgrößte Bank infrage: Immerhin verfügt die chinesische Postbank (Postal Savings Bank) über 600 Millionen Kunden. Die 40.000 Filialen befinden sich vor allem in Chinas Millionenstädten abseits der großen Handelszentren und in landwirtschaftlichen Regionen.

BASF-Chef Martin Brudermüller

Erst vor wenigen Tagen warnte der BASF-CEO Martin Brudermüller vor „China-Bashing“. Kein Wunder, ist sein Unternehmen bestens in der Volksrepublik vernetzt und betreibt, wie der Volkswagen-Konzern, sogar in Xinjiang ein Werk. In der Region werden Minderheiten von der chinesischen Regierung systematisch unterdrückt, verfolgt und in Arbeitslager zur Umerziehung gesteckt. Vor allem Männer ab der Pubertät bis ins Rentenalter wurden ab 2018 gezielt eingesperrt. Frauen berichten von Zwangssterilisationen, Kinder werden von ihren Eltern getrennt und in staatliche Internate geschickt.

Brudermüller kennt Chinas Wirtschaftswelt gut, leitete viele Jahre als Asien-Chef die BASF-Geschäfte von Hongkong aus. Sein Plan als Vorstand ist, die Kosten des Chemiekonzerns in Europa und vor allem in Deutschland so schnell wie möglich zu senken. Zugleich bekräftigte der Konzernchef laut „Spiegel“, an der geplanten Investition von zehn Milliarden Euro in einen neuen Verbundstandort in Zhanjiang in der südchinesischen Provinz Guangdong festzuhalten und den Umsatz in dem Land deutlich steigern zu wollen. 

Kritik bekommt er dafür unter anderem vom BASF-Aufsichtsrat. Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, sagte, der Chemiekonzern mache sich in der deutschen Industrie öffentlich zum „Frontrunner“ für eine Fortsetzung der bisherigen China-Strategie. „Ich warne davor, alles auf eine Karte zu setzen und die geopolitischen Risiken zu unterschätzen“, sagte das dienstälteste Aufsichtsratsmitglied der BASF. Wenn Brudermüller „die Expansionspläne für China noch weiter antreiben und zugleich für die Standorte in Europa keine strategische Perspektive aufzeigen würde, wäre das nicht akzeptabel“.

Nicht bei allen Firmen steht schon fest, wen sie in den Flieger nach China setzen. Diese Unternehmen stehen laut „Handelsblatt“ auch auf der Liste:

Biontech SE

Wer von Biontech Kanzler Scholz nach China begleiten will, ist noch nicht bekannt. Warum der Impfhersteller mitreist, ist offenkundig: Das Unternehmen aus Mainz wartet sehnsüchtig auf eine Zulassung in China, die die Führung in Peking seit mehr als zwei Jahren hinauszögert. Hierfür gibt es mehrere Gründe: Chinesische Staatsmedien hatten im Kampf gegen die Corona-Pandemie von angeblichen – durch den mRNA-Impfstoff verursachten – Todesfällen im Westen berichtet und so Misstrauen in der eigenen Bevölkerung geschürt. Nach dem Motto: Das Ausland bekommt den Kampf gegen Corona auch nicht in den Griff.

Außerdem wollte China offenbar ohne ausländische Hilfe einen eigenen Impfstoff dieser Art produzieren, nachdem sich die eigenen, herkömmlichen Impfstoffe als weniger effektiv herausgestellt hatten. Dabei hatte Biontech-Chef Uğur Şahin schon im Frühjahr 2020 nicht nur mit Pfizer, sondern auch mit dem Shanghaier Unternehmen Fosun Pharma eine Zusammenarbeit vereinbart. Geplant war eine Lieferung von mindestens 100 Millionen Impfdosen. Doch wer in China Biontech geimpft bekommen möchte, muss bis heute nach Hongkong reisen.

BMW AG

Ob BMW-Chef Oliver Zipse mit nach China fliegt, ist laut „Handelsblatt“ noch unklar. Für die Autobauer aus München läuft es in China mittlerweile wieder gut: Im Frühjahr standen im weltweit größten BMW-Standort Shenyang die Fabrikbänder still. Nach dem Corona-Lockdown konnte auch mit der neuen Produktionsreihe des X5 begonnen werden. Der SUV wurde bis dahin nur in den USA gefertigt.

Fast ein Drittel der weltweit verkauften Fahrzeuge der BMW Group werden in Shenyang hergestellt. BMW hält seit Februar 75 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen BMW Brilliance mit dem chinesischen Partner Brilliance. Neben den Autofabriken verfügen die Bayern noch über eine Motoren- und Batteriefabrik in China. Im vergangenen Jahr hat BMW in China 846.000 Autos verkauft und in Shenyang mit 23.000 Mitarbeitern mehr als 700.000 BMW-Autos sowohl für den chinesischen Markt als auch für den Export gebaut.

Wacker Chemie AG

Auch Wacker und sein Vorstandschef Christian Hartel setzen voll aufs China-Geschäft: 2021 übernahm der Münchener Chemie-Konzern für 120 Millionen Euro 60 Prozent des Spezialsilan-Herstellers Sico Performance Material. Zuvor stellte Wacker die Silane nur in Deutschland her. Mittlerweile wird aber auch in dem Werk in Wuxi nahe Shanghai produziert. Die Produkte von Sico werden unter anderem in der Bauindustrie, im Automobilbau, in der Halbleiter- und in der Elektronikindustrie benötigt. 

Adidas AG

Adidas und sein CEO Kasper Rorsted kämpfen in China mit ordentlichen Umsatzeinbrüchen: Im zweiten Quartal 2022 gingen die Geschäfte mit minus 35 Prozent deutlich zurück, meldete das Unternehmen mit Sitz in Herzogenaurach im August. Andere Marken, wie Nike und Balenciaga, sind in der Volksrepublik offenbar beliebter. Zudem hatte der deutsche Sportartikel- und Kleidungshersteller unter den Boykott-Aufrufen chinesischer Nationalisten zu leiden. Anfang 2021 hatten die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei und die Volksbefreiungsarmee Chinas Bevölkerung dazu aufgerufen, bestimmte Marken aus dem Westen nicht mehr zu kaufen – darunter H&M und auch Adidas. Chinesische Internet-Shops entfernten die Marken zum Teil von ihren Plattformen, um sich besonders patriotisch zu geben. Grund dafür war, dass sich die westlichen Unternehmen kritisch zur Menschenrechtslage und dem Verdacht der Zwangsarbeit bei der Baumwollproduktion in Xinjiang geäußert hatten.

Wegen der Probleme in China und der zuletzt schleppenden Nachfrage musste Adidas sogar die Prognose für dieses Jahr senken: Nach einem schwachen dritten Quartal rechnet der Konzern nur noch mit einem währungsbereinigten Umsatzplus im mittleren einstelligen Prozentbereich. Bisher hatte der im Dax notierte Konzern mit einem Anstieg im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich gerechnet.

Hipp Holding

Kaum etwas ist bei chinesischen Eltern so heiß begehrt wie deutsche Babynahrung: Nach vielen Lebensmittelskandalen von heimischen Produzenten (unter anderem wurde Melamin in Milchpulver gemischt, 300.000 Kinder erkrankten) vertrauen sie auf qualitätsgeprüfte Nahrung aus der EU und sind bereit, große Summen dafür zu zahlen. Seit 2009 ist Hipp auf dem chinesischen Markt vertreten. Das Milchpulver der deutschen Marke wird in dortigen Kinder-Fachgeschäften nicht selten für den drei- bis fünffachen Preis als hierzulande verkauft. 2018 startete Chinas Regierung jedoch eine Initiative, um chinesisches Milchpulver in der Bevölkerung wieder attraktiv zu machen. Knapp 20 Milliarden US-Dollar werden jährlich in China für Milchpulver ausgegeben, woran nun auch die eigenen Produzenten teilhaben sollen. Insofern gibt es auch für die Vorstände Stefan und Sebastian Hipp Gesprächsbedarf in Peking.

Bayer AG

Der Pharmakonzern ist schon lange im China-Geschäft, investierte 2014 rund 100 Millionen Euro in seine Produktionskapazitäten in Peking und reagierte damit auf die erhöhte Nachfrage seiner Medikamente in der Volksrepublik. Das Investment wurde auf höchster Ebene besiegelt, und zwar beim Deutschland-Besuch von Chinas Partei- und Staatsführer Xi Jinping, der die Vereinbarung mit dem damaligen Bayer-CEO Marijn Dekkers unterzeichnete. Wie sehr auch der aktuelle Vorstandschef Werner Baumann – trotz Chinas Drohungen gegen die Insel-Demokratie Taiwan –  an sein Geschäft in der Volksrepublik glaubt, wurde in der Antwort des Konzerns auf eine Anfrage der „Welt“ deutlich: Man trage „zur Versorgung der chinesischen Bevölkerung bei“, argumentiert Bayer, mit Medikamenten, Gesundheitsprodukten, Nahrungsmitteln. „Wir sind überzeugt, dass globale Herausforderungen wie der sich beschleunigende Klimawandel, die sich abzeichnende Nahrungsmittelkrise und die geopolitische Situation nicht weniger, sondern mehr Zusammenarbeit auf globaler Ebene erforderlich machen.“ Man hoffe auf „Frieden und Stabilität in der Straße von Taiwan und darüber hinaus“.

Geo Clima Design

Das Heiztechnikunternehmen Geo Clima Design zählt zu den kleineren Unternehmen auf Scholz‘ Reise-Liste. Die Firma produziert in Fürstenwalde in Brandenburg Kapillarrohrmatten sowie Flächenheiz- und Kühlsysteme, Kollektoren und Speicher.

Quelle:

https://www.businessinsider.de/politik/welt/diese-deutschen-wirtschaftsbosse-wollen-mit-kanzler-scholz-nach-peking-reisen-und-so-wichtig-ist-ihr-china-geschaeft-a/

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