Berlin (EAST SEA) Montag, Juli 2nd, 2018 / 22:22

Merkel und Seehofer – Jahrelanges Kräftemessen

Die Entfremdung von Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer hat bereits vor Jahren begonnen. Seitdem verbindet sie vor allem eines – ihre gemeinsame Geschichte des Streits vor allem über die Flüchtlingspolitik.

Von Angela Ulrich, ARD Hauptstadtstudio

Die eine ist eine kühle Wissenschaftlerin, protestantisch, pragmatisch, aus dem Osten. Der andere ist ein Gefühlsmensch, jovial, katholisch, aus Oberbayern. Angela Merkel und Horst Seehofer kommen nicht nur aus ganz verschiedenen Galaxien – sie beäugen sich auch immer schon eher skeptisch.

So sagte Merkel über Seehofer: “Der Vorsitzende der CSU ist traditionsgemäß immer eine starke Kraft. Edmund Stoiber war das schon, Horst Seehofer hat da noch ein paar Facetten.” Und Seehofer wiederum über Merkel: “Sie ist schon sehr, sehr konsequent. Da kann es dann passieren, wer sich da immer in den Weg stellt, dass man zurückgelassen wird.”

Erster großer Streit schon 2004

Die Entfremdung startet früh – 2004 – mit einem Streit über die sogenannte Kopfpauschale in der Gesundheitspolitik. Seehofer unterliegt und vergisst Merkel diese Demütigung nie.

Doch das ist alles kein Vergleich zu dem, was die beiden in der Flüchtlingspolitik miteinander ausfechten. Das geht schon los bei der Frage, ob die Kanzlerin den CSU-Chef im September 2015 gefragt oder nur informiert hat, als es darum ging, Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland kommen zu lassen?

Dann der Streit über die Obergrenze

Es folgte der CSU-Parteitag im November: Seehofer lässt Merkel neben sich auf der Bühne stehen, fast eine Viertelstunde lang – wie bestellt und nicht abgeholt – und holt selbst aus: “Wir sind der festen Überzeugung, dass diese große historische Aufgabe, die Integration von Flüchtlingen, dass auch die Zustimmung der Bevölkerung nicht auf Dauer zu haben sind, wenn wir nicht zu einer Obergrenze für die Zuwanderung bei den Flüchtlingen kommen.”

Um dann Merkel fast zu drohen: “Du weißt, dass wir hartnäckig für dieses Ziel arbeiten. Und deshalb kann ich dir nur sagen: Wir sehen uns zu diesem Thema wieder.” Merkels Mundwinkel rutschen noch tiefer als sonst. Die Kanzlerin ist sauer. Beide beharken sich nun noch unerbittlicher als zuvor, keiner gibt nach im Obergrenzenkrach.

Versöhnung vor der Wahl

Doch pünktlich zur Bundestagswahl, als ein gemeinsames Wahlprogramm her muss, kommen plötzlich andere Töne von Seehofer: “Das Vertrauen, das blinde Aufeinander-Verlassen-Können, wie es hier über Monate hinweg stattgefunden hat.”

Sogar Merkel scheint überrascht von diesem Horst Seehofer: “Was das blinde Vertrauen angeht, ist das ja nicht so nach dem Motto: Ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn.”

Dann der aktuelle Streit über Zurückweisungen

Aber der scheinbare Friede währt nur kurz. Im Streit um Zurückweisungen an der Grenze macht der CSU-Chef wieder Druck – jetzt sitzt ihm die Landtagswahl in Bayern im Nacken. “Ich hab eine Verantwortung für dieses Land – nämlich, dass wir steuern und ordnen, und ich kann das nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.”

Seehofer will ein Zeichen setzen. Wenn er im Alleingang allerdings Asylbewerber zurückweist, die anderswo schon registriert sind, “dann würde ich sagen, ist das eine Frage der Richtlinienkompetenz” – und die habe ich, macht Merkel klar. Sie hat Europa im Blick.

So wenig überraschend das ist – Seehofer nimmt Merkel das übel: Ohne uns von der CSU könnt ihr doch gar nicht regieren, droht er offen: “Richtlinienkompetenz – das ist emotional ein schwieriger Moment”, sagt er.

Trotz, Verletzungen und ein anderer Blick auf die Asypolitik. Das macht es schwer zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel.

 

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