Berlin (EAST SEA) Dienstag, August 20th, 2019 / 23:32

Neuer Streit im Südchinesischen Meer – Vietnam zofft sich mit China

Bisher fast unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit braut sich im Südchinesischen Meer wieder einmal gefährliches Konfliktpotenzial zusammen. Vietnamesische Frauen machten am Wochenende in Berlin darauf aufmerksam.

Von Detlef D. Pries

Unter der Losung „Ao Dai für Frieden“ zogen am Sonntag mehr als 600 Vietnamesen mit Gesang und Sprechchören vom Berliner Alexanderplatz zur Botschaft Chinas am Spreeufer. Die meisten Demonstranten waren Frauen in traditionellen Ao-Dai-Gewändern. Worum es ihnen ging, erfuhr man von Transparenten: China möge sein Forschungsschiff „HaiYang Dizhi 8“ aus dem Gebiet der Vanguard Bank zurückziehen. Die meisten Beobachter des Zuges wussten mit dieser Forderung freilich wenig anzufangen.

Die Vanguard Bank (vietnamesisch Bai Tu Chinh) im Süden des Südchinesischen Meeres, das in Vietnam Ostmeer (Bien Dong) heißt, ist ein Unterwasserriff 190 Seemeilen vor der vietnamesischen Küste. Es liegt folglich zweifelsfrei innerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone des Landes (200-Meilen-Zone). Auf der Untiefe hat Vietnam auf Stelzen künstliche Inseln errichtet, nördlich davon erkundet der russische Konzern Rosneft derzeit in vietnamesischem Auftrag mithilfe einer japanischen Plattform Öl- und Gasvorkommen.

Das Gebiet liegt aber auch innerhalb der berüchtigten Neun-Strich-Linie, durch die China seinen Anspruch auf 90 Prozent des Südchinesischen Meeres abgrenzt. Pekings Ansprüche wurden zwar 2016 vom Internationalen Schiedshof in Den Haag für unrechtmäßig erklärt, sie widersprechen auch der UNO-Seerechtskonvention von 1982, doch China erkennt weder den Haager Schiedsspruch an, der von den Philippinen angestrengt wurde, noch die Seerechtskonvention: Das Gebiet sei lange vor deren Verabschiedung auf Karten und in Dokumenten als chinesisch gekennzeichnet gewesen, alle dort lagernden Rohstoffe gehörten folglich der Volksrepublik. Auf historische Aufzeichnungen verweist freilich auch Vietnam und untermauert damit seine Hoheitsrechte.

Anfang Juli entsandte China besagtes Forschungsschiff „HaiYang Dizhi 8“ in das fragliche Gebiet. Begleitet wird es von mehreren waffenbestückten Schiffen der chinesischen Küstenwacht. Nach vietnamesischen Protesten zogen sich die Chinesen zwar vorübergehend zurück, seit dem 13. August aber operiert die Flottille wieder im Gebiet der Vanguard Bank und droht die Arbeiten von Rosneft und die freie Fahrt vietnamesischer Versorgungsschiffe zu behindern. Im Juli 2017 hatten chinesische Schiffe in der gleichen Region bereits die spanische Ölbohrgesellschaft Repsol unter Androhung von Gewalt gezwungen, Bohrarbeiten im Auftrag Vietnams abzubrechen. Hanoi sieht daher nicht nur die Souveränität des Landes, sondern auch dessen Energiesicherheit gefährdet, denn das Gasfeld Lan Do in unmittelbarer Nachbarschaft deckt derzeit zehn Prozent des vietnamesischen Gesamtenergieverbrauchs.

Internationale Beobachter schätzen, dass China die anderen Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres – darunter auch die Philippinen und Malaysia – durch ständige „begrenzte“ Nadelstiche auf Dauer zermürben und den eigenen Machtanspruch bekräftigen will.Zudem könnte es Peking darum gehen, die Solidarität Russlands mit Vietnam auf die Probe zu stellen.

Hanoi aber will nicht klein beigeben: Vietnam kündigte an, die Arbeit der Bohrplattform bis in den September zu verlängern. Und es wirbt durch Demonstrationen wie die in Berlin um internationale Unterstützung im Territorialstreit um das Südchinesische Meer./.

Dieser Text ist auch bei neues-deutschland.de erschienen.

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