Berlin (EAST SEA) Freitag, Juni 12th, 2020 / 12:55

Ein „Faktenblatt“ für Hongkong – mit der Sprengkraft einer Bombe

Mit einem „Faktenblatt“ verteidigt China sein „Sicherheitsgesetz“ für Hongkong. Das klingt lapidar, hat aber eine ungeheure Wirkung – nicht nur für die Region. Die Bundesregierung jedoch schweigt. Ihr scheinen andere Dinge wichtiger zu sein.

Als sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der chinesische Premier Li Keqiang am Donnerstag zu einer Videokonferenz trafen, hätte die Spannung kaum größer sein können. Am Tag zuvor hatte Chinas Außenministerium ein „Faktenblatt“ veröffentlicht, in dem es seine Entscheidung verteidigte, ein „Sicherheitsgesetz“ für die Sonderverwaltungszone Hongkong zu verhängen. Beobachter kritisieren das Gesetz, da es, so die Befürchtung, Hongkongs Autonomie untergraben werde.

Grundlage dieser Autonomie ist die chinesisch-britische gemeinsame Erklärung aus dem Jahr 1984, ein Vertrag, der bei den Vereinten Nationen registriert ist. Diese Erklärung, so das Außenministerium in seinem „Faktenblatt“, sei für China „nicht relevant“. Andere Staaten hätten kein Recht, sich in Hongkongs innere Angelegenheiten einzumischen.

Das „Faktenblatt“ kommt ganz lapidar daher, aber es hat die Sprengkraft einer Bombe. Es macht deutlich, was Beobachter schon länger befürchten: dass China sich nicht um internationales Recht schert. Das Land macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt.

 Das war also der Hintergrund, vor dem das Gespräch zwischen Merkel und Li stattfand, Chinas Premier, von dem manch ein Beobachter sagt, er sei nur Staffage neben dem starken Mann Xi Jinping. Aber die Bundesregierung blieb sich treu: Sie hielt sich bedeckt. Alles, was Regierungssprecher Steffen Seibert von sich gab, war, dass „die Situation in Bezug auf Hongkong“ zur Sprache gekommen sei. Offene Kritik an Peking? Nicht mit der Bundesregierung.

Merkel fordert faire Regeln für deutsche Unternehmen

Die Reaktion Berlins weicht damit ganz drastisch von der anderer Länder ab. Die USA hatten nach der Ankündigung des „Sicherheitsgesetzes“ angekündigt, den Sonderstatus Hongkongs zu beenden. Dieser Status bewirkt, dass die gegen China verhängten US-Strafzölle nicht für Einfuhren aus Hongkong gelten. Großbritannien hatte erklärt, bis zu drei Millionen Hongkongern mittelfristig die Staatsbürgerschaft anzubieten.

Und Japan hatte zuletzt deutlich gemacht, dass es eine kritische Erklärung der G-7-Staaten zu Chinas „Sicherheitsgesetz“ koordinieren werde. Von der Bundesregierung sind solche Töne nicht zu hören. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte jüngst lediglich, dass „das hohe Maß an Autonomie Hongkongs nicht ausgehöhlt werden“ dürfe. Eine Erklärung, die in den Augen vieler Kritiker viel zu harmlos war – wohl aus Rücksicht auf die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen.

Um Wirtschaftsbeziehungen ging es in der deutsch-chinesischen Videokonferenz dem Vernehmen nach hauptsächlich. Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) war unter den Teilnehmern. Merkel forderte nach Agenturberichten mehr Marktzugang und Gleichbehandlung für deutsche und europäische Unternehmen in China.

Die Bundesregierung wird im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Sie hoffte, im September auf einem EU-China-Gipfel in Leipzig ein Investitionsabkommen zu unterzeichnen. Über dieses Abkommen verhandeln die EU und China seit sieben Jahren. Doch der Gipfel wurde wegen der Corona-Krise verschoben. Das Investitionsabkommen rückt damit in weite Ferne. Von ihm ablassen will die Bundesregierung aber nicht. Das Investitionsabkommen zwischen der EU und China sei ein wichtiges Element für den Marktzugang ausländischer Unternehmen, sagte Regierungssprecher Seibert.

Vor Beginn der Videokonferenz wurden nach Angaben der Bundesregierung drei Vereinbarungen zwischen deutschen und chinesischen Partnern unterzeichnet. Details sind nicht bekannt.

Quelle: https://www.welt.de/politik/ausland/article209405419/Merkel-telefoniert-mit-Li-Das-laute-Schweigen-der-Kanzlerin-zu-Hongkong.html?fbclid=IwAR0euHhrong1IWpOarXpDakkUoBKXFUW8GE11Gq6Wi96YfOGz_SnQV4osNA

 

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