Berlin (EAST SEA) Donnerstag, August 1st, 2019 / 23:00

Vietnam kann aber nicht erwarten, dass andere China heftiger kritisieren und verurteilen als Vietnam das selbst tut.

Dr. Gerhard Will ist Südostasien-Experte . Bild DW

Dr. Gerhard Will ist Südostasien-Experte und war unter anderem in der Asien-Gruppe der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin tätig.

East-Sea.de hat mit ihm einen Interviewper E-Maildurchgeführt.

Werter Herr Dr. Gerhard Will,

sicherlich haben Sie die chinesische Schikane im südchinesischen Meer verfolgt.

In den letzten 3 Wochen, China provozierte mehrere Mal auf Vanguard Bank, ein vietnamesisches Gebiet südlich von Südchinesischem See. Ihre erste Provokation ist die ungerechte Vermessung des chinesischen Schiffes Haiyang Dizhi 8. Die zweite Provokation ist die Bedrohung von der Küstenwacheschiff Haijing 35111 seit 16.Juni, 190 Seelenmeile von Vietnams Südostküste. Dieses Gebiet ist in der Nähe von Block 06-01 des Nam Con Son Projektes, ein Ölbohrung der Zusammenarbeit zwischen Vietnam und Russland. In 10 Tagen schickte Vietnam sowohl Korrespondenz an China als auch kündigte es 3 mal gegen diese Territorium-Eindringen der chinesischen Schiffen an. Die Presse, in dem EU und Deutschland sind leise trotz Kritik aus Amerika gegen solche Handlung von China. Es ist anders als wenn die chinesische Bohrinsel Hai Duong HD-981 sich tief in dem vietnamesischen Schelf bzw. ihrer ausschließlicher Wirtschaftszone befand.

Wir hätten ganz gerne Ihre Meinung nach folgenden Richtlinien erfahren:

1: Was könnte der Grund sein, dass die Presse und Politiker von EU und Deutschland beide nicht zu oben genannten Situation reagieren? Ist Vietnam auf internationalen Ebene isoliert, wenn es um solche Veranstaltungen geht?

Das dürfte zum einen daran liegen, dass die EU und Deutschland derzeit mit anderen und sehr viel unmittelbareren Konflikten (Brexit, Iran, Straße von Hormus etc.) beschäftigt ist. Zum anderen ist man natürlich auch immer zögerlich sich mit China anzulegen. Nicht zuletzt sind natürlich auch die vietnamesische Diplomatie und die vietnamesischen Medien gefordert, die Dringlichkeit dieses Problems und den Kritik an China den europäischen Partnern zu vermitteln. Vietnam kann nicht erwarten, dass die EU oder Deutschland China heftiger kritisert als dies Vietnam selbst tut.

2: Was sollte Vietnam zur Zeit machen? Sollte sie wie Philippines China klagen?

Vietnam sollte vor allem in der ASEAN versuchen, dieses Problem auf die Tagesordnung zu setzen. Ich weiß, dies wird nicht leicht sein. Aber Vietnam sollte nicht vergessen, dass viele Regierungen der ASEAN-Staaten von großen Teilen ihrer eigenen Bevölkerung kritisiert werden, weil sie gegenüber China zu nachgiebig sind. Vietnams Politik sollte daher auch immer auf diese Chinakritische Bevölkerung in den ASEAN-Staaten abzielen und nicht nur die Regierungen dieser Länder im Auge behalten. Für einen Gang vor das Schiedsgericht in Den Haag ist es meiner Meinung nach für Vietnam zu spät. Das hätte man damals gemeinsam mit den Philippinen machen müssen.  Aber nachdem Duterte sich von dem Abkommen abgewandt und China zugewandt hat, würde ein Gang Vietnams vor das Gericht jetzt wenig bringen und wäre politisch schwer zu vermitteln.

3: Ihrer Meinung nach, warum vermaß China Vanguard Bank? Würden sie in kommender Zeit in diesem Gebiet mehr ungerecht handeln? 

Diese Aktion Chinas ist Teil jener Strategie, die China schon seit Jahren verfolgt: schleichender Expansionismus (creeping expansionism). Das heißt durch eine Vielzahl begrenzter Aktionen, den eigen Machtanspruch ausbauen. China begrenzt jeden Schritt sorgfältig, damit es nicht zu einem großen Konflikt kommt. Wenn dann eine Zeit vergangen ist, wird der nächste Schritt unternommen. Im Falle der Vanguard Bank kommt wohl noch dazu, dass China testen will, wie stark die Solidarität Russland mit Vietnam ist. Bzw. China versucht mit dieser Aktion, auch einen Keil zwischen Vietnam und Russland zu treiben.

4: Was wären die nächsten Schritte von China im südchinesischem See, nachdem ihr Umbau und Militarisierung der Inseln erfolgreich ist? Hätte es Funktionen in Beziehung mit Öl und Gas als auch Militär?

Meiner Meinung nach sind alle Maßnahmen Chinas militärisch bedingt. Die Suche bzw. die Ausbeutung von Öl und Gas dienen nur dem Zweck, die militärischen Aktionen zu legitimieren und ihnen einen zivilen Anstrich zu geben. Aber nach meiner Meinung nach spielen wirtschaftliche Überlegungen für China in Biendong keine große Rolle.

5: Würde China offene Ausschreibung weiter bieten oder für Öl und Gas auf Vanguard Bank (oder auf anderen Gebiete) weiter bohren?

Ich glaube nicht, dass China daran interessiert ist, ausländische Investitionen in den von ihm kontrollierten Teilen des südchinesischen Meers  einzuwerben. Chinas Strategie zielt eindeutig auf die militärische Kontrolle dieses Gebietes ab. Ausländische Investoren sind da wenig hilfreich und könnten die Sache verkomplizieren, wenn hier noch andere internationale Akteure ins Spiel kämen…

6: Was würde die Reaktion von EU und den Vereignigten Staaten auf neue Handlungen von China sein?

Von den USA sind sehr entschiedene Reaktionen zu erwarten, da die USA unter Trump sich in einem mehr oder weniger offenen Konflikt mit China befindet.  Von der EU sind sehr viel weniger starke Reaktionen zu erwarten, da die Interessenlage der EU gegenüber China sehr viel weniger eindeutig ist. Für die EU ist China nach wie vor ein äußerst wichtiger Wirtschaftspartner. Außerdem ist es China gelungen, einige EU-Mitglieder durch seine Seidenstraße-Initiative sowie durch sein 16+1 Format auf seine Seite zu ziehen. Die Frage ist, ob China damit auf Dauer Erfolg haben wird.

7: Wie sollte sich Vietnam in dieser Situation am besten verhalten?

Ich glaube, es war richtig und wichtig, dass Vietnam durch entsprechende Aktionen vor Ort den Versuchen Chinas, seine Hoheitsansprüche auszudehnen, zurückgewiesen hat. Meines Erachtens sollte Vietnam aber auch stärker in der internationalen Öffentlichkeit diese Aktionen Chinas verurteilen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Vietnam von der EU oder Deutschland eine lautstarke Verurteilung Chinas erwartet, während es sich selbst mit einer klaren Verurteilung Chinas eher zurückhält und seine Bedenken nur auf diplomatischen Wegen vorbringt. Vietnam kann aber nicht erwarten, dass andere China heftiger kritisieren und verurteilen als Vietnam das selbst tut. So weit dazu. Herzliche Grüße aus Hamburg, wo die drückende Hitze der vergangenen Tage nun einem starken Gewitter gewichen ist.

Gerhard

 

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