Berlin (EAST SEA) Sonntag, Mai 16th, 2021 / 10:11

Militärmacht China – Aufrüsten für eine neue Weltordnung?

Längst hat die Volksrepublik China die meisten Kampfschiffe weltweit. Massive Investitionen in das Militär lassen Sorgen bei den Nachbarländern aufkommen – allen voran in Taiwan. Die Kommunistische Partei betont ihr Recht auf Selbstverteidigung.

„An das chinesische Militärflugzeug in 4.000 Metern Höhe südwestlich von Taiwan. Sie befinden sich in unserer Luftraumüberwachungszone und beeinträchtigen unsere Flugsicherheit. Bitte kehren Sie unverzüglich um!“

Ein hektischer Funkspruch über der Taiwanstraße: Ein Pilot der taiwanischen Luftwaffe fordert eindringlich chinesische Kampfflugzeuge zur Umkehr auf. 88 Mal drangen Chinas Flugzeuge in Taiwans Luftraumüberwachungszone ein – allein im April dieses Jahres (Stand 20.04.2021) – so rechnet es der Inselstaat vor. Flugmanöver, die provozieren sollen, deren Überwachung Taiwan jährlich fast eine Milliarde US-Dollar kostet und die seit 2016 stetig zunehmen.

„Im letzten Jahr hat China alle zwei, drei Tage eine Militärübung in Taiwans Umfeld abgehalten. Sehr häufig, und mit einer steigenden Zahl an Flugzeugen, von schnellen Kampffliegern bis zu langsamen U-Boot-Abwehr-Flugzeugen. Das ist für unsere Luftwaffe sehr anstrengend. Wir sind ein kleines Land mit wenigen Flugzeugen. Unsere Luftwaffe geht damit sehr gut um, aber wir sind eben auf uns allein gestellt.“

Bis 2049 will China die führende Armee aufgebaut haben

Sheu Jyh-Shyang forscht am Institut für Nationale Verteidigung und Sicherheitsforschung in Taiwans Hauptstadt Taipeh. Sein Fachgebiet umfasst: Chinesische Politik, Militär und Kriegsszenarien. Ein genauer Beobachter der Kommunistischen Partei auf der anderen Seite der Taiwan-Straße.

„China ist noch nicht die größte militärische Weltmacht. Aber das ist ihr Ziel. Wenn man sich Xi Jinpings Worte auf dem 19. Parteikongress 2017 anhört, dann sagt der KP-Führer, China habe zwei Ziele in der Entwicklung seines Militärs: Bis 2035 will China eine ‚grundlegende Modernisierung‘ erreichen. Bis 2049 will das Land die führende Armee aufgebaut haben. Davon kann man ableiten, dass China bis 2049 die größte Militärmacht der Welt werden will.“

Ein Ziel, das von Jahr zu Jahr realistischer wird. Chinas Parteiführung erhöht die Militärausgaben stets mehr als das Bruttoinlandsprodukt wächst. Erst im März verabschiedete der Volkskongress eine Steigerung der Militärausgaben von 6,8 Prozent. Dazu sagte Generalsekretär Xi Jinping vor Vertretern der Volksbefreiungsarmee und der bewaffneten Volkspolizei laut einem Zeitungsbericht:

„Angesichts der instabilen Sicherheitslage benötigen unsere Streitkräfte einen umfassenden Plan für Aufstellung und Kriegsvorbereitung, um sofort auf schwierige Situationen reagieren zu können. Sie sollen nationale Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen verteidigen und den Aufbau eines modernen sozialistischen Landes unterstützen.“

Chinas Marine ist zahlenmäßig die größte der Welt

Die „nationalen Entwicklungsinteressen“ sind unter Xi ein fester Bestandteil der Rhetorik der Kommunistischen Partei geworden. Damit rechtfertigt China den Bau von künstlichen Inseln im Südchinesischen Meer und deren Ausbau mit militärischer Infrastruktur, die Bewaffnung der chinesischen Küstenwache und die großangelegten militärischen Übungsmanöver mit Kriegsschiffen und Kampffliegern in der Region. Alles tagtäglich übertragen im Fernsehen.

Raketen werden von einem Kampfschiff abgeschossen, laute Befehle aus der Kommandozentrale: Der chinesische Staatssender CCTV-7 zeigt rund um die Uhr die neuen militärischen Fähigkeiten der Volksbefreiungsarmee: Zu Wasser, an Land, in der Luft, am Raketen-Terminal und im Cyberraum. So gliedern sich die Streitkräfte nach der Militärreform 2015. In allen fünf Bereichen strebt die KP eine Führungsposition an. Mit zwei Millionen aktiven Soldaten hat die Volksrepublik mit Abstand die größte Truppenstärke weltweit. Mehr als 7.000 Kampfpanzer hat nur Russland. Und auf den Meeren seien die chinesischen Kampfschiffe schon in der Überzahl, so Verteidigungsforscher Sheu Jyh-Shyang:

„Die chinesische Marine ist zahlenmäßig bereits die weltgrößte. Die USA haben aber mehr große Schiffe, Flugzeugträger mit 100.000 Tonnen, viel mehr dieser Schiffe als China, mit höherer Kapazität. Das heißt, kräftemäßig ist China den USA noch unterlegen, aber zahlenmäßig hat China bereits die größte Marine. Dazu kommen Chinas Raketen, die die Nato-Staaten nicht haben.“

US-Zerstörer würden Chinas Kampfschiffen unterliegen

Den Ausbau der chinesischen Marine hat James Fanell an vorderster Front miterlebt. Bis 2015 war er Chef des Marine-Nachrichtendienstes der US-Pazifikflotte. Heute lebt er in der Schweiz und schreibt militärische Analysen für die Denkfabrik „Geneva Centre for Security Policy“.

„Die Realität ist, dass Chinas Militär nicht mehr nach innen wirken soll, sondern globale Ambitionen hat und in der weltweiten Arena operiert.“

Das macht zunehmend auch die USA nervös, weil sie auf den Meeren ins Hintertreffen geraten, erzählt der ehemalige „Navy Captain“.

„Die chinesische Marine hat nicht nur mehr Schiffe, sie hat auch mehr Fähigkeiten als die US-Marine – bezogen auf Anti-Schiffsraketen. Nehmen wir einfach einen ‚Luyang-III Type 052D‘-Zerstörer gegen einen US-Zerstörer. Die Chinesen haben Anti-Schiffsraketen mit einer Reichweite von mehr als 200 Kilometern, Überschallgeschwindigkeit und ‚Sea-Skimming‘ – fliegen also knapp über der Wasseroberfläche, unbemerkt von jedem Radar. Dazu sind sie auch im Nahkampf kaum zu besiegen. Die US-Marine hat immer noch ihr ‚Harpoon‘-System. Unterschallgeschwindigkeit. Sehr langsam. Und sie kann im Verteidigungsfall nicht so manövrieren wie eine chinesische Rakete vom Typ ‚YJ-18‘.“

James Fanell skizziert, dass die USA derzeit nicht gegen Chinas Marine bestehen könnten in einem offenen Seegefecht zum Beispiel vor Hawaii. Eigentlich hätten die USA Vorteile durch ihre rund 20 großen Flugzeugträger, China hat bisher nur zwei, aber eine andere Antwort:

„China hat ballistische Anti-Flugzeugträger-Raketen entwickelt. Nur dafür designt, um Flugzeugträger zu versenken. Die erste haben sie vor gut 15 Jahren entwickelt – die „Dongfeng 21 D“. Mit einer Reichweite von 900 Kilometern. Und jetzt haben sie eine neue in ihrem Arsenal – die „Dongfeng 26“, die diese Reichweite verdoppelt hat. So können sie die US-Navy auf dem Meer von Guam bis nach China bedrohen.“

Will China eine grenzenlose miliätirische Expansion?

Aber bis zum US-Stützpunkt auf der kleinen Insel Guam im westlichen Pazifik sei Chinas Verteidigungspolitik gar nicht ausgerichtet, meint Alexander Huang. Er ist Professor für chinesische Militärstrategie am Institut für Internationale Angelegenheiten und Strategiestudien der Tamkang Universität in Taipeh. Seit 30 Jahren forscht er zu diesem Thema und kommt zu dem Schluss: Der Kommunistischen Partei geht es um den Schutz seiner wirtschaftlich florierenden Küstenregion.

„Chinas jüngste Expansion nach außen ist so etwas wie die ‚Chinesische Mauer zu Wasser‘. Für die Nachbarländer ist das vielleicht nicht akzeptabel, aber für China ist das eine kleine Ausweitung seines Einflussbereichs, um von Peking über Tianjin, Tsingtao, Shanghai, bis nach Guangdong und Shenzhen geschützt zu sein, vor ausländischen Armeen. Es geht nicht um eine grenzenlose militärische Expansion oder eine globale Führungsrolle. Solche Ambitionen stecken noch nicht in der chinesischen DNS.“

Gleichwohl – China hat seit 2017 auch eine erste Militärbasis im Ausland am Horn von Afrika: in Dschibuti. Und seine Ansprüche vertritt China inzwischen immer offensiver – auch gegenüber Nachbarländern.

Mehr bei:

https://www.deutschlandfunk.de/militaermacht-china-aufruesten-fuer-eine-neue-weltordnung.724.de.html?dram:article_id=496171

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